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29.02.2012 | In memoriam Professor Hans Igel (1918 - 2012) |

In memoriam Professor Hans Igel (1918 - 2012)

Am 29. Februar 2012 ist Professor Hans Igel gestorben.

Geboren wurde er am 7. Mai 1918 in Rudelsdorf (heute Scharley/Polen). Nach dem Abitur 1937 und dem Arbeitsdienst studierte er Medizin in Göttingen, Breslau und Düsseldorf. 1940 wurde er zur Infanterie eingezogen, konnte jedoch ab 1943 weiterstudieren. Nach dem Staatsexamen 1944 kam er als Truppenarzt an die Westfront, wo er in der Oberpfalz in amerikanischer Gefangenschaft den Krieg überlebte.

Igel erhielt 1945 seine erste Stelle in der Medizinischen Akademie Düsseldorf für freie Kost und Loggie. Bald darauf wechselt er zu Prof. Schopohl an die Charité-Frauenklinik im sowjetischen Sektor.

1946 las Igel den Aufsatz von Papanicolaou und Traut im Commonwealth Fund "Diagnosis of Uterine Cancer by Vaginal Smear"(1943). Er begann die Erforschung der neuen Methode. Voller Begeisterung meldete Schopohl seinen Assistenten Igel ohne dessen Wissen 1947 zum Vortrag auf der ersten hochkarätigen Nachkriegs-Konferenz der deutschen Frauenärzte an. Das Thema lautete: "Diagnose des Uteruskarzinoms durch Vaginalabstrich".


Igel stiess auf sarkastische Ablehnung durch die Pathologen. Das böse Wort von der "Care-Paket-Zytologie" fiel. Selbst Altmeister Stoeckel kritisierte, "...dass der Herr Vortragende keine Abbildungen hat zeigen können..." Der Einladung Igels mit ihm durchs Mikroskop zu schauen folgte auch er nicht.

Nach der Fusion der beiden Berliner Universitäts-Frauenkliniken 1951 kam Hans Igel direkt in die I. Universitäts-Frauenklinik zu Helmut Kraatz.

1959 publizierte er "Gynäkologische Zytologie" und widmete sich endokrinologischen Fragen. Die zytologischen Arbeiten Igels waren essentiell für die Entwicklung der Krebsfrüherkennung in Deutschland.

1960 folgte die Habilitation und 1965 die Ernennung zum Professor.

1966 wurde Igel Chefarzt der Frauenklinik im Bezirkskrankenhaus Schwerin.

Nach dieser seitlichen Arabeske wurde er 1970 Kraatz-Nachfolger an der Charité. Das alte Ordinariat war in drei Lehrstühle aufgeteilt worden: für Neonatologie (Prof. Rapoport), für Gynäkologie und Geburtshilfe (Prof. Igel) und für Soziale Gynäkologie (Prof. Tosetti). Eine bekannte Gratulantin machte dem Neuberufenen klar: "...König werden Sie hier nie!"

Es folgten tatsächlich problematische Jahre, denn Igel war nicht in der SED, was ihm die fachliche und administrative Arbeit nicht erleichterte. Irgendwann wurde die Situation für ihn untragbar. Er zog sich zurück und suchte nach Alternativen.

1973 wurde Professor Hans Igel dann bei einem Fluchtversuch an der DDR-Grenze festgenommen. Die Grenzer in Marienborn wussten scheinbar sehr gut, wo wer zu suchen war. Es folgten für Igel vier bedrückende Jahre Haft (u. a. im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen) und die Ausweisung des nun 59jährigen in die Bundesrepublik.

Hans Igel arbeitete in Allendorf als Gynäkologe. An seine wissenschaftlichen Leistungen konnte er nicht wieder anknüpfen, doch am 1. Dezember 1992 hielt Prof. Igel im Rahmen seiner Rehabilitation in der Universitäts-Frauenklinik (Charité) noch einmal eine Vorlesung über die "Entwicklung und Bedeutung der gynäkologischen Zytologie" - und besuchte das vor 46 Jahren von ihm gegründete zytologische Labor.

Anlässlich ihres 150jährigen Jubiläums wurde Hans Igel 1994 von der Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin (GGGB) zu ihrem Ehrenmitglied ernannt.

Am 16. November 2011 besuchte der 93jährige das letzte Mal eine wissenschaftliche Sitzung der GGGB, deren Vorsitzender er einstmals war. Sein fröhliches Lachen im November 2011 war sein Abschied von uns.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Dr. h. c. Andreas D. Ebert
Vorsitzender
Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin (GGGB, gegr. 1844)



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