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08/2017 | Artikel des Monats: Zum möglichen Zusammenhang von Brustsilikonimplantaten und dem Auftreten von Lymphomen | monatsartikel_1708.pdf

Artikel des Monats (August 2017)

Zum möglichen Zusammenhang von Brustsilikonimplantaten und dem Auftreten von Lymphomen

Zusammenfassung des

243rd Statement by the German Society of Gynecology and Obstetrics (DGGG) in Response to the Call for Data on the Safety of PIP Silicone Breast Implants and the Possible Association between Breast Implants and ALCL by the Scientific Committee on Health, Environmental and Emerging Risks (SCHEER) of the European Commission

This statement was written by Prof. Jens-Uwe Blohmer, Klinikdirektor, Klinik für Gynäkologie mit Brustzentrum, Charité – Universitätsmedizin Berlin, 10117 Berlin, Germany and

Prof. H. Peter Sinn, Sektionsleiter Gynäkopathologie, Universitätsklinikum Heidelberg, 69120 Heidelberg, Germany.

Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(06): 617, DOI: 10.1055/s-0043-106280



Einleitung

Silikon-Brustimplantate bestehen aus Polydimethylsiloxan (PDMS). PDMS ist eine Gruppe von Silizium-basierten organischen Polymeren mit einer Hauptkette von wechselnden Silizium- und Sauerstoffatomen. Die Hülle aller Implantate besteht aus einem Silizium-Elastomer. Die Oberfläche der Implantate kann glatt oder strukturiert sein. Verschiedene Prozesse werden verwendet, um eine Texturierung zu erstellen.

Seit 2015 berichtet die internationale Literatur über eine erhöhte Anzahl von Lymphomen, insbesondere von Anaplastischen großzelligen Lymphomen (ALCL) bei weiblichen Patientinnen mit Silikonbrustimplantaten.

Ursachen und Verlauf der ALCL

Wesentliche definierende Merkmale der ALCL sind eine Proliferation lymphatischer Zellen mit starker Expression des Zytokin-Rezeptors CD30 und einem charakteristischen Ausbreitungsmuster. Die ALCL tritt in zwei Formen auf: als primär systemische ALCL, oder als primär kutane ALCL. Die primär kutane ALCL hat ein 5-jähriges Gesamtüberleben von ca. 90%. Die primär systemische Form ist aggressiver (5-Jahres-OS: 80%) und betrifft vor allem Patienten mit einem mittleren Alter von etwa 50 Jahren. Die ALCL ist insgesamt sehr selten und umfasst nur 3% aller Non-Hodgkin-Lymphome und 0,04 bis 0,5% aller malignen Erkrankungen der Mamma.

Als mögliche Ursache für das Auftreten der ALCL werden zum einen chronische Entzündungen, hervorgerufen durch Bakterien im die Implantate umgebenden Biofilm genannt. Der Biofilm wird auch für das Entstehen der Kapselfibrose verantwortlich gemacht. Eine weitere Hypothese zur Entstehung der ALCL benennt die „Silikonblutung“, d.h. die Diffusion kleinster Silikonpartikel durch die Silikon-Elastomerumhüllung der Implantate, welche vor allem bei älteren Implantaten stärker ausgeprägt ist. Histiozyten reagieren mit diesen Fremdkörpern und bilden Riesenzellen und Granulome.

Besonders ausgeprägt ist die Silikonblutung bei Brustimplantaten der Firma PIP, welche mit Industrie-Silikon gefüllt wurden. Moderne Implantate besitzen eine dickere Hülle und bestehen aus hochvernetztem Silikon und gelten daher als besonders sicher.

Implantat-assoziierte ALCLs wurden bisher vor allem im Bereich der Implantatkapsel entdeckt. Das biologische Verhalten ist in diesen Fällen ähnlich der primär kutanen Form der ALCL. Die FDA berichtet über eine Inzidenz Implantat-assoziierter ALCLs zwischen 0,6 und 1,2 pro 100000. Die ALCL tritt weit häufiger bei texturierten als bei glatten Implantaten auf. Eine Häufung des Auftretens der ALCL bei PIP-Implantaten wurde bisher nicht bestätigt.

Ein Hinweis für das Auftreten der ALCL kann die späte (d.h. mehr als ein Jahr nach Implantation) Bildung von Seromen sein, welche vor allem durch die Ultraschalluntersuchung entdeckt werden.

Empfehlungen für die Praxis

Eine Konsensuskommission empfiehlt daher die halbjährliche klinische Untersuchung der Patientinnen in den ersten 5 Jahren nach Implantat-Einlage sowie die Ultraschalluntersuchung in den ersten zwei Jahren.

Die FDA empfiehlt zudem, dass alle spät auftretenden Serome sowie reseziertes Kapselgewebe auf das mögliche Vorhandensein einer ALCL untersucht werden.

Die Behandlung der Silikonimplantat-assoziierten ALCL besteht aus der Entfernung der Kapsel gefolgt von der postoperativen Bestrahlung.

Die Autoren des Statements zitieren im Folgenden wesentliche wissenschaftliche Arbeiten, die die Ursachen, die Häufigkeit in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren und die klinischen Verläufe der Implantat-assoziierten ALCL beschreiben. Vor allem in späteren Stadien können nicht alle Patientinnen von der ALCL durch die Kapsulektomie geheilt werden.

Zusammenfassung

Die Autoren betonen, dass Patientinnen, die im Rahmen kosmetischer oder rekonstruktiver Eingriffe ein Implantat erhalten, über die seltene Möglichkeit des Auftretens der ALCL und seiner Symptome (späte Serome, Kapselfibrose) aufgeklärt werden sollten. Silikonimplantate der Firma PIP sollten aufgrund des erhöhten Auftretens von Implantatrupturen und Kapselfibrosen entfernt werden.



Dr. med. Elke Keil

Chefärztin Abteilung für Gynäkologie
Leiterin des Brustzentrums und Gynäkologischen Krebszentrums
Park-Klinik Weißensee
Schönstraße 80
13086 Berlin


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Aktualisierung: 29.07.2017


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